RESILIENZ – im Gespräch mit dem Psychologen René Träder.

Er begleitet seit rund 10 Jahren Veränderungsprozesse von Einzelpersonen, Teams und Unternehmen im Rahmen von Coachings, Workshops und Vorträgen. Seine zentralen Themen sind: Achtsamkeit & Resilienz, Kommunikation & Konflikte sowie Innovationen & Kreativität.

Renés Lebensmotto ist: „Umarme das Leben, auch wenn das Schicksal ein Arschloch ist!“

Ihm ist wichtig, dass man sein Leben aktiv in die Hand nimmt, sich nicht in der Opferrolle verfängt, sich also selbst als Gestalter des eigenen Lebens wahrnimmt und Verantwortung für sein Glück, aber auch für seine Probleme übernimmt. Er selbst kennt große Veränderungen im Leben. So hat er sich beispielsweise mit 30 entschieden, seinen Job beim Radio zu kündigen, um Psychologie zu studieren und seinem (beruflichen) Leben neue Chancen zu geben. Im Ullstein-Verlag erschien 2020 sein Resilienzbuch „Das Leben so: NEIN, ich so: DOCH!“, das bei argon auch als Hörbuch rauskommt.

Ich hatte die Ehre René in meinem Podcast: Live Smart Stay Healthy zu Gast zu haben und mit Ihm über das Thema Resilienz zu sprechen.


Dr. Christoph Pooth: Ich begrüße heute den sympathischen, großartigen Journalist, Psychologen, Radiomoderator und Buchautor René Träder und spreche mit ihm über das Thema Resilienz.

Reslilienz  ist die psychologische Widerstandskraft, die sich mit unserem psychischen Immunsystem beschäftigt. Das ist den meisten gar nicht so bewusst.

Lieber René vielleicht kannst Du dich am besten selbst vorstellen.

René Träder: Vielen Dank, Christoph, für die Einladung hier zu diesem Gespräch. Mein Leben ist voll mit ganz vielen spannenden beruflichen Herausforderungen. Seit 20 Jahren mache ich Radio. Nach ungefähr 10 Jahren habe ich mich  entschieden, Psychologie zu studieren und arbeitet seitdem auch als Coach und als Trainer. Ich bin unterwegs in Unternehmen und gebe Workshops zum Thema Stressmanagement, zum Thema Resilienz und zum Thema Achtsamkeit oder eben auch zum kreativen Brainstorming. Was für  mich total spannend ist, eben mit Menschen gemeinsam Ideen zu entwickeln. Ich mache Podcast Formate und habe ein Buch geschrieben. Ich mache so viele Sachen und das Schöne ist ich lerne immer wieder etwas Neues dazu und ich kann vor allem immer tiefer in die Materie eintauchen. Und das ist so wahnsinnig spannend an meinem Job.

Dr. Christoph Pooth: Du hast ein Buch geschrieben: “Das Leben so nein, ich so doch!”, finde ich unfassbar interessant, weil das ist jetzt gerade ein so wichtiger Punkt bei uns in der Praxis. Die Patienten sind wirklich mitgenommen von dieser allgemeinen Situation. Viele verlieren den Glauben an das Gute und verfallen in eine Art Depression.


René Träder:Ja, Resilienz, diese psychische Widerstandsfähigkeit, die es uns erlaubt, auch Bewährungsproben zu widerstehen und auch dementsprechend so zu widerstehen, dass wir eben vielleicht nicht krank werden, da wir ja alle gerade ein bisschen eine Stressbelastung haben. Weil die sozialen Kontakte fehlen, weil uns vielleicht der regelmäßige Sport außerhalb fehlt, weil wir Freunde nicht treffen können, die Gastronomie nicht aufsuchen können. Und das führt natürlich mehr und mehr zum Trübsinn und auch zum bedrückt sein und zu körperlichen Problemen und wie ich merke zu psychosomatischen Problemen.

Dr. Christoph Pooth: Vielleicht können wir beide das heute ergründen, um rauszufinden, was kann jeder einzelne dagegen tun? Welche Möglichkeiten hab ich trotz dieser Extremsituation? Aber auch wenn das alles vorbei ist, auch danach. Wie kann ich regelmäßig meine persönliche Auszeit nehmen? Stress abbauen mit kleinen Tricks – wie geht das?

René Träder: Resilienz ist quasi das Immunsystem der Psyche.

Wir kennen ja alle das körperliche Immunsystem, das wird belastet von Viren und von Bakterien. Und das psychische Immunsystem wird angegriffen von Alltagsstress, von Krisen, von Problemen und von Schicksalsschlägen. Und so wie wir irgendwie alle eine Idee davon haben: Was muss ich denn tun, um mein Immunsystem für den Körper zu stärken, z.B. Sport zu machen oder mehr Obst und Gemüse zu essen – so lohnt es sich auch sehr, sich zu fragen: Was kann denn mein Apple a Day für die Psyche sein? Und es ist deshalb auch so spannend, dass wir uns heute hier getroffen haben. Du als Mediziner und ich als Psychologe, weil diese Zweiteilung, die gibt es ja immer noch in der Wahrnehmung zwischen  Körper und Psyche. Aber es gibt ja auch eine lange philosophische Theorie, ob es nicht eigentlich eher eine Einheit ist. Du hast schon die Psychosomatik angesprochen und es gibt auch Untersuchungen, die sagen, dass jeder vierte Patient, der in einer Arztpraxis geht, auch psychische Themen hat, die ihn belasten. Also die Magenschmerzen, zum Beispiel die Rückenschmerzen. Dass das eigentlich Themen sind, die von der Psyche her kommen . Daher lohnt es sich sehr, die Psyche ein bisschen stärker in den Mittelpunkt zu stellen und das vor allem zu enttabuisieren und kein Drama daraus zu machen, wenn man an seine Belastungsgrenzen kommt und sich nicht deshalb zu schämen, sondern das ernst zu nehmen. Mein Beispiel ist immer wenn man sich ein Bein bricht, dann würde man ja nicht in den Baumarkt gehen und sagen ich hätte gern ein bisschen Gips und ein paar Stangen und kriegt das schon alleine hin. Man würde ja sagen: ‘Okay, das ist etwas, das muss ich ernst nehmen. Und da gehe ich mal zum Arzt oder ins Krankenhaus.’ Und bei der Psyche ist es aber so da doktorn wir lange rum oder viele Leute rutschen auch in Drogen hinein, weil Drogen erst mal eine Form von Entspannung an der Stelle darstellen also auch Alkohol oder andere Dinge. Drogen geben uns entweder Energie, wenn wir nämlich merken wir haben keine Energie mehr. Oder aber sie helfen uns abzuschalten und die Gedanken runter zu bekommen und auch die Emotionen wieder runter zu bekommen. Und das sind sehr gefährliche Kreisläufe. Resilienz bedeutet quasi, dass man eben widerstandsfähig ist und dass man die Widrigkeiten des Lebens bearbeiten kann und daran nichts zerbricht. Da können durchaus Narben übrig bleiben, aber man zerbricht eben nicht dran.  Das ist das Wichtige. Ich würde mir wünschen, dass wir über Resilienz schon im Kindergarten und in der Schule sprechen, dass es nicht nur um genomischen Formeln geht, sondern tatsächlich darum, ja immer was kann. Also , dass man tatsächlich Menschen mitgibt: ‘Was kannst du für dich selbst tun? Was tut dir gut? Wie erkennst du denn überhaupt, was dir gut tut? Woran erkennst du nun überhaupt, dass du gestresst bist? Wie gehen wir gut mit Frust um? Wie können wir Probleme lösen?‚ All das sind, glaube ich, ganz, ganz wichtige und spannende Themen, die wir auf dem Schirm haben können, um etwas für unsere psychische Gesundheit zu tun.

Dr. Christoph Pooth: Ich habe den Eindruck, dass vorwiegend die älteren Generationen, das gerne sauber getrennt haben – also Körper und Geist – und die gehen wahrscheinlich tatsächlich lieber in den Baumarkt und holen sich da den Gips. Viele wollen die Pille, die das Problem löst, aber vielleicht nicht die Auseinandersetzung, die die Psyche eventuell noch erfordern würde. Und ich stelle fest, dass die junge Generation da inzwischen offener ist für Stressbewältigungs-Techniken. Das wird uns teilweise schon anerzogen in der Schulzeit. Viele Dinge kommen da zu kurz oder werden erst gar nicht erwähnt. Ernährung ist ein Riesenthema, was in der Grundschule überhaupt keinen Platz hat oder wenig und eben was du sagtest psychische Gesundheit. Das findet meiner Meinung nach überhaupt nicht statt.

Ein Baustein in deinem Buch ist der Resilienzbaustein Nummer 6, der Optimismus: ‘Ich bin dann mal ich hin und weg von meinem Leben!’ Wie kann ich den Optimismus jetzt in dieser Phase überhaupt kreieren? Gibt es da von dir ein Rezept?

René Träder: Du kannst den Optimismus genauso trainieren und etablieren, wie du das negative Denken etablieren und machen kannst, nämlich durch regelmäßiges Üben. Das Negative trainiert man durch Lästern und durch Abkotzen und sich fokussieren auf das, was gerade nicht gut ist und jammern und hohe Erwartungen haben. Dadurch können wir wunderbar, sehr pessimistisch werden. Und das Umgekehrte ist eben das optimistische Denken. Ich will vielleicht nochmal eine Frage rausziehen, die du davor gerade gestellt hast. Nämlich gibt es so ein kurzes Rezept oder ein Geheimrezept oder quasi sowas? Das ist ja eine Frage, die sehr oft gestellt wird, wenn man über sowas anfängt zu reden. Und da du ja Mediziner bist, müsste man dann fairerweise eben zurückfragen: ‘Gibt’s denn das eine kurze Rezept für ein glückliches, also für ein gesundes, langes Leben ohne Krankheit?’ Das gibt es natürlich genauso wenig.

In der Medizin gibt es einige Bausteine, die man sich angucken kann Bewegung, Ernährung und zum Beispiel Schlafen ist ganz wichtig. Aber wir haben auch genetische Aspekte dabei, mit welchen Genen man auf die Welt kommt. Das gilt auch für die Resilienz.  Es gibt drei Quellen von Resilienz. Das eines ist tatsächlich die genetische Disposition. Also wie wir auf die Welt kommen. Und bei der Psyche ist es würde man sagen: Wie schnell springt meine Amygdala an, der Teil im Gehirn, der für die Angst zuständig ist. Menschen, bei denen sehr schnell die Angst aktiv wird, müssen ein bisschen mehr für ihre Resilienz tun, weil sie natürlich nicht ganz so mutig handeln. Und so gibt’s eben diese ganze hormonelle Verschaltung in uns. Da können wir nicht so wahnsinnig viel machen. Das ist die eine Quelle für Resilienz, wo man sagen kann: ‘ Aha, Menschen unterscheiden sich vielleicht auch schon mal genetisch!’ Das andere sind frühkindliche Erfahrungen. Wenn wir zum Beispiel Traumata erlebt haben, Vernachlässigung, Gewalterfahrungen in der Familie, sexuelle Übergriffe vielleicht oder auch vielleicht den frühen Tod der Eltern, die Scheidung, die vielleicht dramatisch war. Das kann uns auch alles enorm schwächen. Und umgekehrt stärkt es uns enorm fürs Leben, wenn wir in einer Familie aufwachsen, wo auch resiliente Eltern sind und wo man sieht Probleme werden gelöst, wo es ein gutes, wertschätzendes Miteinander und eine gute Kommunikation gibt und die Erfahrung von Liebe z.B. auch von Bindung gemacht werden kann. Aber auch da stellen wir als Erwachsener fest:’ Ja, da kann ich jetzt auch nichts mehr dran ändern aus welcher Familie ich komme – das ist so.’ Und dann haben wir eben noch die dritte Quelle und das ist Lernen. Dass wir tatsächlich etwas ganz Bewusstes tun. Auch hier kann man die Brücke schlagen zur Medizin. Wenn man in einer Familie aufgewachsen ist, wo es jeden Tag Fast-Food gibt, dann hat man quasi gelernt: ‘Wenn ich Hunger habe, fahre ich zu McDonalds oder bestelle mir eine Pizza.’ Und das ist sozusagen der der Essens Mechanismus, den man immer noch mit hat. Und dann muss man als Erwachsener umlernen und sagen: ‘Was kann ich denn noch machen, wenn ich Hunger habe?’

Und bei der Psyche, da ist das ganz genauso. Was kann ich denn tun, wenn ich Konflikte habe? Was kann ich tun, wenn ich Probleme habe? Was kann ich tun, wenn ich zum Beispiel gemobbt werde? Oder wenn ich eine Krankheit habe und ich plötzlich eine schlimme Diagnose erhalte, die bedeutet, ich bin vielleicht eingeschnitten in meinen Tätigkeiten oder vielleicht auch einen frühen Tod bedeutet. Wie ist das, wenn der Lebenspartner oder die Kinder erkrankt sind? Wenn man also mit Schicksalsschlägen konfrontiert ist, mit einem Unfall usw.. Und das sind dann die Sachen, die man als Erwachsener noch lernen darf, würde ich sagen. Man darf sich damit auseinandersetzen und man darf sich ganz bewusst diesen Optimismus holen. Und das bedeutet aber Arbeit. Optimismus wird häufig verwechselt mit: Da wacht jemand morgens auf und hat ein breites Grinsen im Gesicht und sagt ‘Das ist ja mega, dass ich wieder wach geworden bin und diese Welt es ist wunderschön!’ sondern auch Optimismus ist eine Form von Arbeit.

Jeder sollte sich quasi einen Optimismus erarbeiten, ganz bewusst auf das Gute und Schöne schauen. Ganz bewusst auch Sinn-Erfahrungen schaffen und auch das Negative mit einbeziehen, was zum Leben dazugehört und vielleicht sogar schon vorwegznehmen und gedanklich sich fragen: Okay, das wird passieren irgendwann oder das ist da, das droht. Warum ist das Leben trotzdem lebenswert oder warum ist das schön? Warum kann ich das Leben genießen? Und das ist sozusagen immer diese Herausforderung, die man im Leben nutzen kann. Jetzt in der Corona Zeit kann es eine Lernaufgabe sein zu sagen: Wir sind alle in einer Krise. Jeder von uns hat in irgendeiner Weise negative Auswirkungen durch diese Corona Maßnahmen. Einige ganz stark, weil sie arbeitslos geworden sind, weil vielleicht auch psychologische Probleme nochmal besonders stark geworden sind, weil man sehr viel Zeit mit sich allein hat und diese alten Monster dann anklopfen, diese Gedanken da sind , die familiären Belastungen da sind und vieles mehr.

Es geht darum nicht alles zu sehen wie: Oh Gott, ich bin das Opfer der Umstände und wie schlimm ist alles! sondern zu sagen:  Okay, was ist mir denn wichtig? Wie möchte ich denn leben? Was ist denn meine Idee vom Leben? Was ist meine Idee vom Arbeit? Meine Idee von Beziehungen führen? Meine Idee auch von der Beziehung zu mir selbst. Und dann dafür etwas zu tun, Verantwortung zu übernehmen und ins Handeln zu kommen. Das wird vielleicht auch nicht direkt fruchtbar sein. Also diese Erfahrung machen ja auch Menschen, die eine schlimme Krankheit hatten. Diese Erfahrungen machen Menschen, die schon früher mal arbeitslos geworden sind oder insolvent gegangen sind. Das aber die konstruktive Auseinandersetzung damit nach einer gewissen Zeit eine Sinn-Erfahrung ermöglicht und man dann feststellt: Ich bin daraus irgendwie stärker hervorgegangen. Ich habe gelernt mit Krisen besser umzugehen. Denn Kraft entsteht häufig aus Krisen. Du hast dieses schöne Thema Optimismus angesprochen. Und trotzdem habe ich so eine Dramatik in der Stimme, weil Optimismus bedeutet eben nicht immer nur lachen und fröhlich sein, sondern Optimismus bedeutet eben auch eine ganz bewusste Art von Denken und Handeln, sich anzutrainieren und auch die Wahrnehmung zu schärfen für das Gute und Schöne.  Das bedeutet erst einmal Arbeit, das Negative wahrzunehmen. Das ist nicht schwer. Da sind wir auch genetisch wieder sehr stark vorbelastet, weil unsere Vorfahren eine größere Lebensgefahr hatten. Wenn sie das Negative übersehen haben, war das für sie einfach gefährlicher als das Positive zu übersehen. Wenn man eine Gefahr übersieht, die Schlucht z.B., dann war es das, dann konnte man sich nicht mehr weiter fortpflanzen. Menschen die ein bisschen ängstlicher waren, die hatten quasi die großen Chancen zu überleben, sich fortzupflanzen. Und von denen stammen wir heute ab. Mal so ganz banal gesagt. Und dadurch ist es ja auch so, wenn wir durch die Straßen gehen und wir bleiben am Zeitungskiosk hängen sind es die Negativ-Schlagzeilen, die uns immer ansprechen.

Wir stellen also fest Optimismus bedeutet Arbeit und das Positive mit einzuarbeiten, das ist die Herausforderung bei der Resilienz. Und sich vielleicht auch zu frage: Was ist denn das Gute im Schlechten? Es geht also nicht darum, das Schlechte zu verneinen oder zu verdrängen oder nicht zu sehen, sondern eher sich zu fragen: Okay, da gibt’s etwas, das es schlecht z.B. gefeuert worden zu sein. Abe was ist sozusagen darin jetzt für mich auch die Chance. Und das mag für Leute, die ganz betroffen davon gerade sind, erst zynisch klingen und dann sagen die: Na ja, der hat ja noch seine Arbeit was redet der denn, aber trotzdem mal diesen Weg gehen und diese Frage sich mal zu stellen und  zu gucken, was dann für Antworten kommen und vielleicht zu sagen – Okay, eigentlich war ich sowieso nicht ganz so glücklich mit dem Job. Ich fand meinen Chef irgendwie doof. Ich fand die Bezahlung schlecht. Ich wollte eigentlich schon ganz lange mal kündigen, aber ich hab mich einfach nicht getraut. Vielleicht gibt es diese Gedanken, vielleicht brauchen diese Gedanken aber auch ein bisschen Zeit zu wachsen. Das ist sozusagen das, was ich unter Optimismus verstehe.

Dr. Christoph Pooth: Du meinst im Prinzip zu prüfen: Kann man die Denkweise nicht umkehren? Muss man es wirklich negativ sehen und sagen:  Warum trifft es immer nur mich und ich bin der arme Kerl? Sondern sagen: Ich stelle mich der Sache und nehme die Situation an. Aber nun die Frage: Wie kann ich es umkehren? Wie kann ich eine Situation so transformieren, dass man daraus wieder etwas Positives ziehen kann.

Weil du sagtest: Wir können nicht immer morgens aufstehen und wachen immer mit diesem breiten Grinsen auf und alles ist super! Vielmehr ist es ein Prozess und dieser braucht eine gewisse Zeit, genau wie es vielleicht Jahrzehnte gebraucht hat, uns in diese Strukturen rein zu bringen in denen wir uns befinden. Und wenn wir aufbrechen wollen, bedarf es einer gewissen Form der Strategie. Gibt es denn dazu von dir eine Anleitung oder Idee?

Ich für mich mache gerne einen sogenannten Gedanken-Stopp. Wenn ein negative Gedanke in mir aufkommt transformiere ich diesen durch eine Aktion wie zum beispiel ein Kneifen oder durch einen Stein in der Hosentasche und sage ‘Stopp – diesen negativen Gedanken möchte ich jetzt nicht zulassen!’ und das funktioniert bei mir. Was hast du für Methoden in diesem Fall?

René Träder: Interessant! Ich muss gar nichts Eigenes entwickeln – die Menschen waren schon immer mit Negativem konfrontiert. Die Menschen vor 2000 Jahren sogar viel stärker als wir heute, da es krasse Hungersnöte gab, oder Kriege gewütet haben, oder weil Krankheiten völlig diffus waren und man kaum Möglichkeiten hatte, was dagegen zu unternehmen. Das heißt, Menschen haben sich schon immer gefragt: Was ist ein gutes Leben? Wie kann ich mit Krisen umgehen? Und die Menschen, von denen wir das wissen, das sind die Philosophen und die haben da verschiedenste Ideen entwickeln oder es gibt die Buddhisten und so weiter. Da gibt’s ja verschiedene Strömungen und ich glaube, wir alle dürfen da einfach gucken, was diese Menschen seit 2, 3, 4 000 Jahren bereits mal entwickelt haben und davon ein bisschen was ausprobieren, um zu sehen, ob das zu einem passt. Du hast das schöne Beispiel gebracht Beziehung. Viele denken, dass in einer Beziehung vielleicht eine Krise entsteht durch die Corona Situation, weil man keinen Rückzugsort mehr hat, weil man sehr viel aufeinander hängt, weil vielleicht noch Kinder da sind. Und das Interessante ist ja: Corona sorgt nicht für die Beziehungskrise. Das wäre eben zu leicht zu sagen: ‘Hey Frau Merkel, wenn Sie jetzt endlich mal aufhören mit dem Lockdown, dann haben wir auch wieder eine glückliche Ehe’, sondern es sind die fehlende oder falsche Kommunikation miteinander oder die Probleme, die man nicht angesprochen hat.

Oder dass man sich vielleicht nicht getraut hat, Bedürfnisse rechtzeitig auszudrücken, weil man immer gehofft hat, der Partner muss doch wissen, was empfinde. Und jetzt knallt es halt. Die Chance hier auch nochmal eine andere Ebene in der Beziehung hinzubekommen und vielleicht endlich mal anzufangen, über Bedürfnisse zu sprechen und zu sagen: Das sind die Grenzen, das sind meine Bedürfnisse, das brauche ich und das kann ich dir geben, damit es uns gut geht. Oder vielleicht auch zu sagen eigentlich denke ich schon seit 5 Jahren drüber nach, dass das nicht so richtig passt. Und dann müssen wir vielleicht auch jetzt getrennte Wege gehen, dann ist es vielleicht auch besser.

Ich würde sozusagen die Leute auch immer ernsthaft aufklären wollen und nicht sagen wollen, es geht alles immer gut, sondern manche Dinge gehen einfach nicht gut. Das ist eben auch häufig die Qualität von Schicksalsschlägen. Probleme kann man lösen und Krisen können häufig auch gelöst werden, brauchen halt ein bisschen länger. Aber Schicksalsschläge verändern häufig unser ganzes Leben radikal. Und Corona ist ja eigentlich auch ein Schicksalsschlag für die ganze Welt. Um uns hat sich von heute auf morgen ohne Vorwarnung alles verändert, ohne dass man eine ganz klare Lösung dafür haben kann. Und so ist es eben auch bei Krankheiten, wo es keine Medikamente gibt oder Krankheiten, die tödlich sein werden. Das Leben ist ja auch tödlich irgendwann am Ende, damit muss man sich auch auseinandersetzen oder auch eine Behinderung durch einen Unfall oder auch wenn jetzt jemand stirbt. Da geht es gar nicht darum zu sagen: Ich kann das umkehren und alles wird gut. Sondern es geht eher darum, dieses Ereignis zu akzeptieren und in sein Leben zu integrieren. Und ja,  die Lücke zum Beispiel, wenn jetzt der Partner stirbt. Das ist natürlich ein Verlust und es ist Traurig und das darf es auch. Das wäre komisch, wenn es nicht traurig ist. Aber dann kommt eben die Frage: Wie kann ich denn trotz allem weiterleben und trotz allem auch ein gutes Leben haben? Es geht eben darum, eine Sinnhaftigkeit zu entwickeln und vielleicht auch diesen Partner in einer gewissen sinnhaften Form im Leben zu integrieren. Durch Rituale, durch Erinnerungen, durch Fotoalben, durch was auch immer. Oder die Oma, die stirbt, die Eltern, die sterben oder vielleicht auch das Kind, das gestorben ist. Die Frage ist immer: Wie kann ich trotz allem oder mit allem weiterleben? Und das ist auch die Frage bei einerBehinderung. Ich habe einen Bekannten von mir und den hab ich auch mal interviewt in einer Podcastfolge und er sagt z.B. er findet es furchtbar, wenn Leute zu ihm sagen: Wie kannst du denn trotz deiner Behinderung ein gutes Leben haben? Und er sagt: ‘Nein, ich habe nicht trotz meiner Behinderung ein gutes Leben. Ich habe mit meiner Behinderung ein gutes Leben und ich bin nicht im Rollstuhl gefesselt.’ Das ist mir auch ganz wichtig. Wie fängt man also an, darüber zu sprechen? Wie fängt man an, darüber zu denken? Und das bedeutet einfach Resilienz an der Stelle. Du merkst schon, das ist halt eben nicht dieses: Ich schlucke meine Pille oder das kurze Rezept, so diese eine Methode, sondern das ist eine Abenteuerreise. Und diese Abenteuerreise, die geht, bis man stirbt. Solange darf man sich mit dem Thema Resilienz auseinandersetzen, wenn man das möchte. Man kann natürlich auch sagen, ich finde alles furchtbar und schlimm und alle Menschen sind Idioten. Und alles wird teurer und die Bestattung sowieso. Das ist natürlich auch eine Haltung dem Leben gegenüber. Aber man kann auch versuchen es anders zu sehen uns ich fragen: Kann ich es auch anders machen? Was tut mir denn eigentlich gut? Und Resilienz ist dafür die Einladung.

Dr. Christoph Pooth: Wie siehst du jetzt aktuell die Lage und die zukünftige Situation? Haben wir denn eine Chance, resilient zu werden, wenn wir das denn auch wirklich wollen? Und auch gut aus dieser Krise rauszugehen?

René Träder: Ja, klar. Weil das ist ja sozusagen eine Problematik von vielen Problematiken, die es auf der Welt geben kann. Das Besondere ist ja, dass über diesen Schicksalsschlag- also Corona – in der Tagesschau berichtet wird. Aber es gibt ja auch Menschen, die haben eine Krebserkrankung. Der Partner trennt sich, sie werden arbeitslos und da redet die Tagesschau nicht drüber. Und die müssen auch sehen, wie kann ich damit umgehen. Das Besondere an Corona ist eben, dass irgendwie alle davon betroffen sind. Und deshalb würde ich Corona nicht ganz so groß aufhängen wollen, weil wir hören es ja schon tausendmal und überall. Das verändert auch unsere Wahrnehmung und unseren Blick auf die Welt. Es ist ein Problem von ganz vielen Problemen. Und das Besondere ist, wir haben es alle gleichzeitig. Das ist ungewöhnlich. In Kriegssituationen gibt’s sowas auch, dass  das ganze Land betroffen ist von einem Ausnahmezustand. Häufig sind es nur Familien, die von einem Ausnahmezustand betroffen sind oder Individuen. Und die Frage ist immer: Wie kann man daraus resilient rausgehen? Ich finde, dass es eigentlich auch eine gesellschaftliche Frage ist. Wie können wir denn als Gesellschaft resilient sein? Wie können wir widerstandsfähig sein? Und wie können wir eine starke Gesellschaft sein, in der man eben nicht gegeneinander denkt und arbeitet, sondern in dem man sich zuhört, indem man andere Meinungen auch akzeptiert, indem man offen ist, miteinander ins Gespräch kommt und nicht verurteilt. Genau das sehe ich gerade eine ganz große Problematik. Was ich in den letzten Monaten entwickelt hat, wie miteinander gesprochen wird und wie hart der Ton ist – das ist ein zusätzlicher und ganz schlimmer Stressfaktor. An Resilienz ist eben das Spannende: Man kann es auf das Individuum betrachten, man kann es auf ein Unternehmen betrachten, man kann es auf den auf den Hinterhof, auf den Garten quasi betrachten. Ist der resilient gegenüber den äußeren Einwirkungen. Resilient ist sozusagen ein Begriff, der überall stattfindet und eben auch bei uns in der Psyche.

Dr. Christoph Pooth: Tolle Worte René und ich bin sicher, das diese Ansichtweise vielen helfen kann, positiver gewissen Umständen zu begegnen. Mich interessiert noch: Wie sehen in deine nächsten Pläne aus?

René Träder: Also ich habe jetzt ein bisschen aufgehört, große Pläne zu machen, auch solche, ob ich dieses Jahr Urlaub mache. Für mich macht es gerade gar keinen Sinn, mir irgendwelche Ideen zu machen Und das ist sozusagen eben auch die Botschaft.Gerade wenn das Leben nicht planbar ist, geht es noch wichtiger darum, im Hier und Jetzt zu sein. Und noch wichtiger darum, eine Form der Achtsamkeit zu leben und nicht zu sagen, wenn die Pandemie mal als beendet erklärt wird oder wenn die Merkel den Lockdown aufhebt, dann beginnt mein Leben wieder. Dann kann ich wieder leben und dann ist alles gut. Sondern die zu sagen: Heute ist auch mein Lebenstag. Der gehört auch zu meiner Biografie dazu und der soll verdammt nochmal auch gut sein in irgendeiner Weise. Und das ist die Herausforderung dazu sagen. Ich zum Beispiel bin zu einem kleinen Brot Backautomaten geworden, jetzt in der Corona Zeit und habe angefangen, selbst Brot zu backen. Das haut jetzt niemanden mehr um, weil ganz viele diese Erfahrung gemacht haben. Aber das macht mich jedes Mal aufs neue glücklich. Und darum geht das. Oder ich gucke mir ganz bewusst alte Filme an oder treffe Leute und sage Hey, du bist mir wichtig, ich will mit dir in Kontakt sein oder was auch immer. Also ich weiß nicht, wie das Jahr sich entwickelt. Wir haben ja gerade Februar, keine Ahnung, was passieren wird. Aber das ist ja auch eine Erfahrung, die Kriegsgeneration haben, das ist eine Erfahrung, die Menschen haben, die schwer krank sind, die nicht wissen, wie es weitergeht. Und wir wissen ja sowieso nie. Selbst wenn Frau Merkel jetzt sagt: Ja, der Lockdown ist vorbei!, dann kann ich ja morgen vom Auto überfahren werden, auch ohne Lockdown. Und dann ist meine tolle Urlaubsreise, die ich mir für Dezember überlegt habe, sowieso dahin. Deshalb geht es bei Achtsamkeit und das ist sozusagen das zweite große Thema ja auch in dem Buch, nämlich Wie kann ich Entspannung haben, wie kann ich zur Ruhe kommen?

Und da ist Achtsamkeit eben ein Tool dafür. Und Achtsamkeit ist noch sehr viel mehr als nur eine Entspannungs Methode, sondern Achtsamkeit kann eine Haltung dem Leben gegenüber auch sein. Und das bedeutet stärker im Hier und Jetzt zu sein und sich nicht, so stark triggern zu lassen von der Vergangenheit oder von der Zukunft, sondern immer wieder zu üben, zurückzukommen, zu sagen: Okay, worum geht es denn jetzt gerade? Was ist denn jetzt wichtig oder Was kann ich denn jetzt gestalten?

Dr. Christoph Pooth: Ein so spannendes Thema über dieses man noch viel weiterreden könnte, weil ich es so unglaublich wichtig finde und es leider in der Gesellschaft viel zu kurz kommt. Daher danke ich dir, lieber René, für deinen kleinen Ausflug in unser Immunsystem der anderen Art – nämlich der Psyche! Und ich wünsche dir, dass du weiterhin gesund bleibst, weiter dein Immunsystem stärkt und uns noch mit vielen netten Podcasts und vielleicht auch noch einem weiteren Buch beglücken wirst.

René Träder: Lieber Christoph, ich danke dir sehr für die Einladung.  Und ich würde als Letztes gerne den Menschen mitgeben wollen. Wir reden ja gerade viel über Corona Maßnahmen für die Hygiene. Aber vielleicht kann sich jeder eben auch fragen was könnte meine Corona Maßnahme für die Psyche sein, damit es mir gut geht? Damit ich besser mit Ängsten und mit Stress umgehen kann, und damit ich einfach mein Wohlbefinden stärke. Das vielleicht als letzte kleine Hausaufgabe.